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Die '''Zeche Radbod''' war ein Steinkohlen-Bergwerk in [[Bockum-Hövel]], das zwischen [[1905]] und [[1990]] in Betrieb war. | |||
Heute befindet sich auf dem ehemaligen Zechengelände, neben dem soziokulturellen Zentrum [[Kulturrevier Radbod]], das [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]]. | |||
== Geschichte == | == Geschichte == | ||
=== Gründung === | |||
Ab [[1899]] strebte die ''Bohrgesellschaft Trier'' die Verleihung von Grubenfeldern nördlich Hamm an. Am [[8. März]] [[1900]] legte der Markscheider Wacholder Mutung für das Bohrloch Bockum 1 auf dem späteren Zechengelände ein. Erst [[1904]] wurden die Felder Bockum 1 und Hövel 1 an die ''Internationale Bohrgesellschaft'' in Erkelenz verliehen und zum Steinkohlenbergwerk Trier III zusammengeführt. Dieses wurde von einer gleichnamigen Gesellschaft betrieben. | |||
Teufbeginn für Schacht I auf dem Gelände war am [[13. März]] [[1905]]. Im September erreichte Schacht I die erste Sohle in 717 m Tiefe und wenige Monate später dann auch Schacht II. Die zweite und dritte Sohle wurde auf 772 m bzw. 844 m angelegt. Um den Betrieb zu sichern, wurden drei weitere Felder gemutet und [[1905]] verliehen. Durch Feldertausch mit der ''Rheinisch-Westfälischen Bergwerks AG'' entstanden die Felder ''Wittekind'' und ''Radbod''. | |||
Die erste Steinkohleförderung erfolgte zwar bereits im November 1905, die planmäßige Förderung setzte allerdings erst im Oktober [[1907]] ein. Radbod hatte zu diesem Zeitpunkt 609 Mann Belegschaft und förderte 49.151 t Steinkohle. Ein Teil der heute noch stehenden Tagesanlagen war [[1907]] bereits fertiggestellt. Die beiden Fördergerüste in Ausführung als „deutsche Strebengerüste“ wurden aus dem englischen „Bock“ entwickelt. Die Dampffördermaschine für Schacht 1 wurde 1907 von der Wilhelmshütte Mülheim und die für Schacht 2 1908 von der Eisenhütte Prinz Rudolph hergestellt.<ref>[https://www.hamm.de/tourismus/sehenswertes/sehenswuerdigkeiten/industriedenkmaeler/zeche-radbod Zeche Radbod auf hamm.de]</ref> | |||
Der weitere Ausbau wurde unter wie über Tage mit Hochdruck vorangetrieben. | |||
==== Namensgebung ==== | |||
Der damalige Bergwerksdirektor, der aus Carolinensiel (Friesland) stammende Bergassessor a. D. Heinrich Janssen, gab an, die Zeche sei nach dem friesischen Herzog Radbod benannt worden. Dies ist auch heute noch die herrschende Auffassung zur Namensgebung, wie sie in den meisten Publikationen zur Zeche vertreten wird. | |||
In jüngerer Zeit wies die Ortsheimatpflegerin des Stadtbezirks [[Hamm-Heessen]], Rita Kreienfeld, jedoch darauf hin, dass möglicherweise der Erzbischof Radbod von Trier der eigentliche Namenspatron des Bergwerks ist. Sie macht dafür die Trierer Geldgeber der Zeche, allen voran Konsul Wilhelm Rautenstrauch, verantwortlich, die einen ihrer wichtigsten Erzbischöfe zum Schutzpatron der Zeche ernennen wollten. Parallelen sieht sie bei der [[Zeche Maximilian]] in [[Werries]], die seitens ihrer bayerischen Geldgeber nach einem bayerischen König benannt worden sei. Es gebe im Ruhrgebiet zahlreiche weitere Beispiele, die ähnliche Vorgänge belegen. Jedoch wäre der nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] überwiegend sozialdemokratisch oder sogar kommunistisch eingestellten Belegschaft ein Erzbischof als Patron der Zeche nicht zu vermitteln gewesen. Daher habe man den friesischen Herzog, zumal er ein Vorfahr des Erzbischofs Radbod von Trier sei, als Erklärung vorgeschoben.<ref>Westfälischer Anzeiger vom 1. Dezember 2009.</ref><ref>Es ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass Friesenherrscher Radbod als Gegenspieler Karl Martells geeignet war, nach dem 1. WK als antifranzösisches Statement gedeutet zu werden.</ref> | |||
=== Grubenunglück 1908 === | === Grubenunglück 1908 === | ||
[[Datei:Bockum Hoevel Denkmal Radbod.jpg|mini|rechts|alternativtext=Denkmal als Statue eines Bergmanns auf dem Friedhof Hövel|Denkmal auf dem Ehrenfriedhof Hövel]] | |||
→ ''siehe auch'' [[Grubenunglück 1908 auf der Zeche Radbod]] | |||
Am [[12. November]] [[1908]] ereignete sich in der Zeche eines der schwersten Grubenunglücke des deutschen Steinkohlebergbaus. Durch eine offene Benzin-Grubenlampe wurde auf der dritten Sohle eine schwere Schlagwetterexplosion ausgelöst. Diese kostete 350 Bergleuten ihr Leben, was nahezu der gesamten Nachtschicht entsprach. An das Unglück und die Toten erinnert die Gedenkstätte Zeche Radbod auf dem Ehrenfriedhof für die Opfer im Hammer Stadtteil Hövel, [[Ermelinghofstraße]]. | Am [[12. November]] [[1908]] ereignete sich in der Zeche eines der schwersten Grubenunglücke des deutschen Steinkohlebergbaus. Durch eine offene Benzin-Grubenlampe wurde auf der dritten Sohle eine schwere Schlagwetterexplosion ausgelöst. Diese kostete 350 Bergleuten ihr Leben, was nahezu der gesamten Nachtschicht entsprach. An das Unglück und die Toten erinnert die Gedenkstätte Zeche Radbod auf dem Ehrenfriedhof für die Opfer im Hammer Stadtteil Hövel, [[Ermelinghofstraße]]. | ||
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Das Unglück löste eine politische Diskussion über Arbeiterschutzmaßnahmen und Aufsichtspflichten aus, insbesondere wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert. Als Folge dieses Unglücks wurde im Deutschen Reich angeordnet, dass alle Benzin-Grubenlampen abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt werden sollten. Zuerst wurden diese auf der Zeche Radbod eingeführt. In Kohle durfte nicht mehr geschossen werden, Hohlräume mussten dicht verfüllt werden. | Das Unglück löste eine politische Diskussion über Arbeiterschutzmaßnahmen und Aufsichtspflichten aus, insbesondere wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert. Als Folge dieses Unglücks wurde im Deutschen Reich angeordnet, dass alle Benzin-Grubenlampen abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt werden sollten. Zuerst wurden diese auf der Zeche Radbod eingeführt. In Kohle durfte nicht mehr geschossen werden, Hohlräume mussten dicht verfüllt werden. | ||
=== 1910–1945 === | |||
=== | |||
[[Datei:Zeche-Radbod (1935).jpg|mini|rechts|Luftbild, 1935<br/>© RVR – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | [[Datei:Zeche-Radbod (1935).jpg|mini|rechts|Luftbild, 1935<br/>© RVR – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | ||
Ebenfalls ab [[1910]] begannen die Arbeiten für Schacht III, der auf 782 m abgeteuft wurde. Ab [[1911]] wurde Schacht IV als Wetterschacht abgeteuft. Am [[15. Oktober]] [[1912]] wurde eine Kokerei in Betrieb genommen und ergänzte fortan die bereits vorhandenen Tagesanlagen. [[1913]] wurden auch Anlagen zu Gewinnung von Nebenprodukten wie Teer eingerichtet. Seit [[1914]] war das Gelände von einer Mauer eingefriedet. In diesem Jahr wurden von 137 Pferden 128 aus der Grube entfernt und durch Druckluftlokomotiven ersetzt. | Ebenfalls ab [[1910]] begannen die Arbeiten für Schacht III, der auf 782 m abgeteuft wurde. Ab [[1911]] wurde Schacht IV als Wetterschacht abgeteuft. Am [[15. Oktober]] [[1912]] wurde eine Kokerei in Betrieb genommen und ergänzte fortan die bereits vorhandenen Tagesanlagen. [[1913]] wurden auch Anlagen zu Gewinnung von Nebenprodukten wie Teer eingerichtet. Seit [[1914]] war das Gelände von einer Mauer eingefriedet. In diesem Jahr wurden von 137 Pferden 128 aus der Grube entfernt und durch Druckluftlokomotiven ersetzt. | ||
Für die ersten drei Quartale des Jahres [[1916]] meldete die Gewerkschaften Trier I–III als Eigentümer der Zeche Radbod eine Steigerung der Förderung seiner beiden Zechen Radbod und Baldur. Es wurden insgesamt 689.416 t gefördert. Zum Vergleichszeitraum des Vorjahres 1915 waren dies 75.250 t mehr. Die Kokserzeugung an den beiden Standorten nahm dagegen leicht ab, und zwar von 214,504 t im Jahr 1915 zu 208.698 t im Jahr 1916.<ref>Frankfurter Zeitung und Handelsblatt. 60. Jahrgang, Nr. 302 (31.10.1916).</ref> | |||
[[1916]] wurde ein Vertrag mit der Stadt Münster in Westfalen über Ferngaslieferung geschlossen. Präzise acht Jahre nach dem ersten Unglück – am [[12. November]] [[1916]] – ereignete sich eine weitere, wenn auch weniger folgenschwere Schlagwetterexplosion. Diesmal gab es sechs Todesopfer. | [[1916]] wurde ein Vertrag mit der Stadt Münster in Westfalen über Ferngaslieferung geschlossen. Präzise acht Jahre nach dem ersten Unglück – am [[12. November]] [[1916]] – ereignete sich eine weitere, wenn auch weniger folgenschwere Schlagwetterexplosion. Diesmal gab es sechs Todesopfer. | ||
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Die Berkwerksgesellschaft Trier III nahm [[1919]] aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation ein Angebot des ''Köln-Neuessener-Bergwerksvereins'' zur Fusion an und wurde diesem zum [[1. Januar]] [[1920]] angegliedert. | Die Berkwerksgesellschaft Trier III nahm [[1919]] aufgrund ihrer schlechten finanziellen Situation ein Angebot des ''Köln-Neuessener-Bergwerksvereins'' zur Fusion an und wurde diesem zum [[1. Januar]] [[1920]] angegliedert. | ||
Ab [[1923]] begann das Abteufen von Schacht V (nach dem derzeitigen Aufsichtsrat Dr. Fritz Winkhaus Winkhausschacht genannt) | Ab [[1923]] begann das Abteufen von Schacht V (nach dem derzeitigen Aufsichtsrat Dr. Fritz Winkhaus Winkhausschacht genannt). Er fungierte als zentraler Wetterschacht. Ein Brand in der vierten Sohle des Schachtes I am [[23. Februar]] [[1923]] zwang zur Flutung dieser Sohle, sie musste schließlich ganz aufgegeben werden. Dadurch sank die Fördermenge von 930.278 t (1925/26) auf 564.530t (1926/27). Eine neue vierte Sohle wurde erst [[1929]] auf 942 m angelegt, 26 m über der alten. Jedoch wurde auf 1090 m eine fünfte Sohle erschlossen. | ||
[[1930]] ging der Köln-Neuessener-Bergwerksverein in der neugegründeten ''Hoesch-Köln-Neuessen AG'' auf. Zu Radbod gehörte dabei ein Grubenfeld von 10.966.545 m². | [[1930]] ging der Köln-Neuessener-Bergwerksverein in der neugegründeten ''Hoesch-Köln-Neuessen AG'' auf. Zu Radbod gehörte dabei ein Grubenfeld von 10.966.545 m². | ||
Nach | ==== Nach 1933 ==== | ||
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten [[1933]] belebte sich das Geschäft durch Aufrüstung im Vorfeld des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]], weshalb [[1936]] der Winkhausschacht mit einem Fördergerüst und einer Schachthalle ausgestattet wurde. Im Jahr [[1937]] wurden erstmals mehr als 1 Mio. (genau 1.046.671) Tonnen Kohle gefördert und 240.397 Tonnen Koks produziert. Zu Beginn des Krieges forderte am [[9. Mai]] [[1939]] eine erneute Schlagwetterexplosion neun Tote und 15 Verletzte und die Förderung sank durch Kriegsschäden in der Folgezeit beträchtlich. Sie musste nach einem schweren Angriff am 10. März 1945 schließlich am 30. März eingestellt werden. | |||
===== Einsatz von Zwangsarbeitern ===== | |||
Zwischen [[1941]] und [[1945]] wurde der Betrieb weitgehend mit Hilfe von Zwangsarbeitern aufrechterhalten.<ref name="hertel2018">Peter Hertel: ''Vor unsrer Haustür. Eine Kindheit im NS-Staat - früh erlebt, spät erkundet,'' Münster 2018, S. 103–136.</ref> Schon im Februar 1940 gab es an der Zeche ein Lager für zivile polnische Zwangsarbeiter. Für sie und zunächst 500 Zwangsarbeiter aus der Ukraine wurde 1941 das ''Gemeinschaftslager der Zeche Radbod'' errichtet. Mitte [[1942]] waren Zwangsarbeiter aus der von Deutschland besetzten Sowjetunion – außer den baltischen Staaten – unter Tage eingesetzt. Im August 1942 wurden die ersten sowjetischen Kriegsgefangenen in einem durch Stacheldraht eingezäunten Barackenlager untergebracht. [[1944]] betrug ihre Zahl weit über 1000.<ref name="hertel2018"/> Hinter Stacheldraht gefangen waren seit 1944 auch zirka 150 italienische ''Militärinternierte'' ''(IMI)'' – Kriegsgefangene, die den Krieg auf Seiten der Faschisten nicht weiterführen wollten. | |||
Im September [[1944]] ließ die Geheime Staatspolizei (Gestapo) ein Arbeitserziehungslager (AEL) als ''KZ vor Ort'' für mindestens 131 Zwangsarbeiterinnen einrichten, die zum Teil auch unter Tage arbeiten mussten. 16 von ihnen sind verschollen.<ref name="hertel2018"/> | |||
==== Kriegsende ==== | |||
Erst nach dem Einmarsch der Amerikaner am [[3. April]] konnte der Betrieb wieder aufgenommen werden. Die Zeche wurde der ''Rhine Coal Control'' unterstellt. Ende 1945 betrug die Jahresförderung nur noch 396.506 t. | |||
=== Nachkriegszeit === | === Nachkriegszeit === | ||
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[[Datei:Zeche-Radbod (1979).jpg|mini|rechts|Luftbild, Mai 1979<br/>© RVR – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | [[Datei:Zeche-Radbod (1979).jpg|mini|rechts|Luftbild, Mai 1979<br/>© RVR – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | ||
[[1981]]–[[1982]] standen die Kohlevorräte der Zeche kurz vor der Erschöpfung. Die Energiekrise führte jedoch zur Planung der Nordwanderung in das Feld Donar. Deshalb wurde im Füllort der vierten Sohle nochmals investiert und die bis dahin größte untertägige Kälteanlage eingebaut. Diese wurde bereits [[1985]] wieder demontiert und nach Übertage verlegt, um die Bewetterungssituation Untertage weiter zu verbessern. Nach Abschluss der Genehmigungs- und Planungsverfahren durch die Bezirksregierung Arnsberg und das Bergamt Hamm am [[20. Juni]] [[1986]] wurden in der Nähe von Herbern (Gemeinde Ascheberg) nördlich von Hamm-Bockum-Hövel die Schächte VI und VII abgeteuft. Das neue Bergwerk im Feld Donar sollte Personal- und Materialanfahrten übernehmen, die Förderung sollte auf Radbod stattfinden. [[1988]] war die Auffahrung zwischen den Schächten II und VI bis zum Durchschlag erfolgt. | [[1981]]–[[1982]] standen die Kohlevorräte der Zeche kurz vor der Erschöpfung. Die Energiekrise führte jedoch zur Planung der Nordwanderung in das Feld [[Donarfeld|Donar]]. Deshalb wurde im Füllort der vierten Sohle nochmals investiert und die bis dahin größte untertägige Kälteanlage eingebaut. Diese wurde bereits [[1985]] wieder demontiert und nach Übertage verlegt, um die Bewetterungssituation Untertage weiter zu verbessern. Nach Abschluss der Genehmigungs- und Planungsverfahren durch die Bezirksregierung Arnsberg und das Bergamt Hamm am [[20. Juni]] [[1986]] wurden in der Nähe von Herbern (Gemeinde Ascheberg) nördlich von Hamm-Bockum-Hövel die Schächte VI und VII abgeteuft. Das neue Bergwerk im Feld Donar sollte Personal- und Materialanfahrten übernehmen, die Förderung sollte auf Radbod stattfinden. [[1988]] war die Auffahrung zwischen den Schächten II und VI bis zum Durchschlag erfolgt. | ||
=== Schließung (1990–1991) === | === Schließung (1990–1991) === | ||
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Die Beschäftigtenzahlen entwickelten sich seit Betriebsaufnahme wie folgt: | Die Beschäftigtenzahlen entwickelten sich seit Betriebsaufnahme wie folgt: | ||
{| | {| class="wikitable sortable mw-collapsible" | ||
! | ! Jahr !! Bergleute | ||
|- | |||
|1903 | |||
|162 | |||
|- | |||
|1908 | |||
|1.805 | |||
|- | |||
|1909 | |||
|701 | |||
|- | |||
|1913 | |||
|4.389 | |||
|- | |||
|1923 | |||
|4.389 | |||
|- | |||
|1928 | |||
|2.531 | |||
|- | |- | ||
| | |1934 | ||
|1.699 | |||
| | |||
|- | |- | ||
| | |1937 | ||
| | |2.811 | ||
|- | |- | ||
| | |1941 | ||
|2.916 | |||
| | |||
|- | |- | ||
| | |1943 | ||
|3.963 | |||
|- | |- | ||
| | |1947 | ||
|3.491 | |||
|- | |- | ||
| | |1950 | ||
| | |3.851 | ||
|- | |- | ||
| | |1954 | ||
| | |3.837 | ||
|- | |- | ||
| | |1960 | ||
| | |2.574 | ||
| | |- | ||
| | |1974 | ||
|1.463 | |||
|- | |||
|1989 | |||
|2000 (ca.) | |||
|} | |} | ||
Der Anstieg der Beschäftigtenzahl zwischen 1974 und 1989 ergibt sich aus der Verlegung von Kumpeln aus den vor Radbod geschlossenen Schachtanlagen. Die Beschäftigten wurden im Schließungsjahr 1990 dann auf andere Schachtanlagen im ganzen Ruhrgebiet verteilt oder in den Ruhestand verabschiedet. | Der Anstieg der Beschäftigtenzahl zwischen 1974 und 1989 ergibt sich aus der Verlegung von Kumpeln aus den vor Radbod geschlossenen Schachtanlagen. Die Beschäftigten wurden im Schließungsjahr 1990 dann auf andere Schachtanlagen im ganzen Ruhrgebiet verteilt oder in den Ruhestand verabschiedet. | ||
== Grubenunglücke und Todesopfer == | |||
Neben den oben erwähnten schweren Grubenunglücken am [[11. November]] [[1908]], bei dem fast die gesamte Nachtschicht starb, und am 12. November 1916 ereigneten sich auf Radbod zahlreiche weitere Unfälle mit Todesopfern. Nach einer Zählung des ''Geschichtskreises Zeche Radbod'', die sich wesentlich auf zwei Verzeichnisse der Unfälle ab 1918 bis 1989 stützen, starben mindestens 822 Bergleute auf der Schachtanlage. Die beiden Bücher zur Unfallstatistik der Zeche aus der Abteilung für Arbeitsschutz und Sicherheit sind seit dem 4. Oktober 2010 im [[Stadtarchiv]] untergebracht, wo sie künftig auch wissenschaftlich aufgearbeitet werden sollen. | |||
Die vorläufige Zählung umfasst nur jene Todesfälle, die auch von der Bergbauberufsgenossenschaft mit Entschädigungen belegt wurden.<ref>[http://www.wa.de/nachrichten/hamm/hamm-bockum-hoevel/toten-radbod-lassen-sich-kaum-zaehlen-946498.html „Die Toten von Radbod lassen sich kaum zählen.“] in: [[Westfälischer Anzeiger]] vom 4. Oktober 2010</ref> | |||
== Nachnutzung == | == Nachnutzung == | ||
[[Datei:Gewerbegebiet-Radbod (2012).jpg|mini|rechts|Gewerbegebiet Radbod (Juli 2012)<br/>© RVR/Hubert Harst – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | [[Datei:Gewerbegebiet-Radbod (2012).jpg|mini|rechts|Gewerbegebiet Radbod (Juli 2012)<br/>© RVR/Hubert Harst – [https://www.govdata.de/dl-de/by-2-0 Datenlizenz Deutschland]]] | ||
[[Datei:9769366.jpg|miniatur| | [[Datei:9769366.jpg|miniatur|Fördergerüste 2007]] | ||
Nach Freigabe des Geländes durch die Bergaufsicht und einer Sanierung von Altlasten auf dem Betriebsgelände wurde dieses einer Umnutzung zugeführt. Von den Anlagen über Tage bleib nur wenig erhalten. Die Fördergerüste (Modell Klönne) und die Fördermaschinenhallen der Schächte I und II stehen seit dem Jahr [[2000]] als Industriedenkmäler unter [[Radbod Schächte I und II|Denkmalschutz]]. | Nach Freigabe des Geländes durch die Bergaufsicht und einer Sanierung von Altlasten auf dem Betriebsgelände wurde dieses einer Umnutzung zugeführt. | ||
=== Gebäude und Anlagen === | |||
Von den Anlagen über Tage bleib nur wenig erhalten. Die Fördergerüste (Modell Klönne) und die Fördermaschinenhallen der Schächte I und II stehen seit dem Jahr [[2000]] als Industriedenkmäler unter [[Radbod Schächte I und II|Denkmalschutz]]. | |||
In einigen Gebäuden des Haupteingangsbereiches befindet sich heute das soziokulturelle Zentrum [[Kulturrevier Radbod]]. Der Rest des Geländes wird als [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]] vermarktet und genutzt. | In einigen Gebäuden des Haupteingangsbereiches befindet sich heute das soziokulturelle Zentrum [[Kulturrevier Radbod]]. Der Rest des Geländes wird als [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]] vermarktet und genutzt. | ||
Die Maschinenhallen lagen längere Zeit brach. Im Sommer 2023 will ein Hammer Architekt mit dem Umbau beginnen. Entstehen soll ein Café-Bistro mit Außengastronomie und Büros. Das historische Erbe des Gebäudes soll in das Ambiente mit einbezogen werden.<ref>Daniel Schinzig: [https://www.wa.de/hamm/bockum-hoevel-ort370528/hamm-zeche-radbod-cafe-buero-maschinenhallen-architekt-bockum-hoevel-mehmet-karademir-92265219.html „Architekt baut Café und Büros in historische Maschinenhallen“] in: wa.de vom 9. Mai 2023</ref> | |||
Als weitere Erinnerung an die Zeche ist eine Dampflok aus dem Baujahr 1906 erhalten geblieben, die von Beginn der 1950er-Jahre bis 1974 als „Radbod 3“ (später D 712) im Einsatz war. Sie wurde durch die [[Hammer Eisenbahnfreunde]] betrieben und auf Neben- und Zechengleisen rund um Hamm zu Nostalgiefahrten genutzt. Sie musste Ostern 2017 leider wegen eines Kesselschadens außer Betrieb genommen werden. Aufgrund weiterer umfangreicher Arbeiten an Rahmen, Fahrwerk und Kessel ist eine Wiederinbetriebnahme auf absehbare Zeit leider nicht möglich. | |||
=== Schächte === | |||
Schacht I und II wurden bereits vor Jahren verfüllt. Schacht Radbod 5 diente nach 1990 zunächst als ausziehender Schacht zur Bewetterung der Zeche Heinrich-Robert und anschließend des [[Bergwerk Ost|Bergwerks Ost]]. Seit dessen Stilllegung im September 2010 wurde der Schacht zusammen mit Schacht 6 nur noch für die Wasserhaltung genutzt. | |||
Für die Sanierung von Schacht I wurden im Dezember 2011 990.000 € durch das Land NRW bereit gestellt. Im Juli 2012 folgten weitere 300.000 € von Bund und Land für die Sanierung von Schacht II. Laut Pressebericht | Für die Sanierung von Schacht I wurden im Dezember [[2011]] 990.000 € durch das Land NRW bereit gestellt. Im Juli [[2012]] folgten weitere 300.000 € von Bund und Land für die Sanierung von Schacht II. Laut Pressebericht sollte die Gesamtsanierung ca. 3,8 Mio. € kosten.<ref>[[Zeche_Radbod_(Presseberichte)#2012|Westfälischer Anzeiger vom 27. Juli 2012 in den Presseberichten]]</ref> | ||
Schacht 5 (auch ''Winkhausschacht'' genannt) war unter Tage mit dem außerhalb des Stadtgebietes in Nordick liegenden ehemaligen Schacht 6 (''[[Donarfeld|Donar]]'') verbunden. Dort sollte nach Planungen der RAG und deren Tochter DSK bis [[2015]] das Bergwerk Donar entstehen, wozu es jedoch nicht mehr kam. Im Dezember 2012 wurde Schacht 5 verfüllt, Schacht 6 sollte Presseberichten zufolge im Januar 2013 verfüllt werden.<ref name="hammextra">[Endgültiger Rückzug von Radbod 5, Radbod 6 und Sandbochum] in: [https://web.archive.org/web/20121215050034/http://www.hammextra.de/endgueltiger-ruckzug-radbod/ hammextra.de (Archiv)]</ref> | |||
Die Verfüllung von Schacht V ermöglichte eine weitere Vermarktung von Flächen im [[Gewerbe- und Industriegebiet Radbod]]. 2013 wurden so weitere 2,75 ha Flächen Teil des Gewerbegebiets Radbod.<ref>[https://www.wa.de/hamm/gelaende-ehemaligen-zeche-radbod-hamm-sind-flaechen-frei-geworden-3941135.html wa.de vom 25. September 2014]</ref> | |||
=== Die Strecke (2023) === | |||
Am [[3. Juni]] [[2023]] fand auf Radbod zum ersten Mal das Aktionskunstfestival „[[Die Strecke]]“ statt. Ausgehend von Radbod markierte das Künstlerehepaar Christiane und Werner Reumke mit einer Markiermaschine auf knapp 5 Kilometern den Verlauf eines Stollens der Zeche, der 1000 Meter unter der Erde bis zum [[Donarfeld]] führt, mit pinker Farbe. Entlang der Strecke fanden an 13 Orten Aktionen statt. | |||
== Fotos == | == Fotos == | ||
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== Haltestelle == | == Haltestelle == | ||
{{Haltestelle|Zeche Radbod}} | {{Haltestelle-Entwickler|Zeche Radbod}} | ||
== Literatur == | == Literatur == | ||
* Pabst, Wolfgang: | * Stapff, M./Lippmann, W. (1955): [[Zeche Radbod (Buch)|Zeche Radbod]] in Bockum-Hövel – 50 Jahre. Hamm: Altenessener Bergwerks-A.G. | ||
* | * Masannek, Winfried (1974): [[Bockum-Hövel (Buch)|Bockum-Hövel. Erinnerungen an eine junge, dynamische Stadt.]] | ||
* Schroeder, Willi E. (1980): Ein Heimatbuch. Zwei Stadtteile stellen sich vor. Bockum und Hövel. Hamm. | |||
* Pabst, Wolfgang (1982): [[350 Männer starben (Buch)|350 Männer starben nun laßt uns tanzen]]. Lengerich: Pabst Science Publishers (ursprünglich Herne: MC Wolf Verlag), ISBN 3-89967-029-9. | |||
*Voß, Peter: [[Die Zechen in Hamm]]: Bildchronik der Bergwerke Heinrich Robert, Maximilian, Radbod, Sachsen, Westfalen. Werne: Regio-Verlag, ISBN 3-929158-03-5. | |||
* Klönne, Stefan (1999): Radbod/Maximilian/Heinrich-Robert/Sachsen Historischer Abriss der Werksgeschichten und Folgenutzung der Brachflächen. Examensarbeit im Fach Geographie an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Eigenverlag. | |||
* Hermann, Wilhelm und Gertrude (2008): Die alten Zechen an der Ruhr. Mit einem Katalog der „Lebensgeschichten“ von 477 Zechen (= Die Blauen Bücher). 6., um einen Exkurs nach S. 216 erweiterte und in energiepolitischen Teilen aktualisierte Aufl. Königstein im Taunus: Verlag Langewiesche, ISBN 978-3-7845-6994-9. | |||
* Schmidt-Rutsch, Olaf/Telsemeyer, Ingrid (Hg.) (2008): [[Die Radbod-Katastrophe|Die Radbod-Katastrophe. Berichte und Zeichnungen des Einfahrers Moritz Wilhelm.]] Essen: Klartext-Verlag, ISBN 978-3-8375-0032-5. | |||
* Hertel, Peter (2018): Vor unsrer Haustür. Eine Kindheit im NS-Staat – früh erlebt, spät erkundet. Münster: agenda Verlag, ISBN 978-3-89688-596-8. | |||
== Weblinks == | == Weblinks == | ||
* [ | * [https://www.industriedenkmal-stiftung.de/denkmale/zeche-radbod Zeche Radbod auf den Seiten der Stiftung Industriedenkmal und Geschichtskultur] | ||
* [ | * [https://www.hamm.de/tourismus/sehenswertes/sehenswuerdigkeiten/industriedenkmaeler/zeche-radbod Zeche Radbod auf hamm.de] | ||
* [http://www.route-industriekultur. | * [http://www.kulturrevier.de/ Website des Kulturrevier Radbod] | ||
* [https://web.archive.org/web/20160607202512/http://www.route-industriekultur.ruhr/themenrouten/07-industriekultur-an-der-lippe/zeche-radbod.html Zeche Radbod auf den Seiten der Route der Industriekultur – Themenroute 7 „Industriekultur an der Lippe“ (Archiv)] | |||
* [http://www.lostareas.de/Bergbau/Radbod/Zeche%20Radbod.htm Bilder Radbod 2003] | |||
== | == Einzelnachweise == | ||
<references /> | <references /> | ||
{{ | == Quelle (in Teilen) == | ||
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