Totschlag an Hannah S.: Unterschied zwischen den Versionen
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Der '''Totschlag an der 25-jährigen Hannah S.''' ist ein Kriminalfall aus Hamm, der sich am Sonntag des [[19. September]] [[2021]] ereignete. Die Tat wurde in der Presseberichterstattung des [[Westfälischer Anzeiger|Westfälischen Anzeigers]] auch als ''Mord am OLG-Teich'', ''Mord im OLG-Park'' oder ''OLG-Mord'' bezeichnet, weil der Leichnam der jungen Frau kurz nach der Tat im [[Ahsepark]] am [[Oberlandesgericht]] aufgefunden wurde, auch wenn die Tat tatsächlich nicht hier stattgefunden hatte. | |||
Das Verbrechen bewegte die Hammer Öffentlichkeit und führte zu lokaler und überregionaler Medienberichterstattung. | Während die Tat im ersten Verfahren noch als Mord abgeurteilt wurde, lautet das rechtskräftige Urteil aus der ersten Revision stattdessen auf Totschlag. Ein Antrag auf eine erneute Revision zwecks Anfechtung des milderen Urteils wurde durch die Staatsanwaltschaft 2025 zurückgezogen. Das Verbrechen bewegte die Hammer Öffentlichkeit und führte zu lokaler und überregionaler Medienberichterstattung. | ||
== Tathergang == | == Tathergang == | ||
Das Opfer, Hannah S. (25),<ref>[https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/prozess-nach-mord-in-hamm-unheimliches-brief-gestaendnis-von-hannahs-killer-79565794.bild.html ''Ich habe meiner Sexsucht nachgegeben'']. In: bild.de vom 26. März 2022.</ref> hatte mit Freunden bis in den frühen Morgen des 19. September auf der [[Südstraße]] („Meile“) in der Diskothek [[Saloon Cheyenne]]<ref>Martin von Braunschweig: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/mord-im-olg-park-in-hamm-angeklagter-schweigt-zum-prozessauftakt-91411983.html ''Mord im OLG-Park: Angeklagter schweigt zum Prozessauftakt'']. In: wa.de vom 15. März 2022.</ref> gefeiert. Nur wenige Minuten, nachdem Sie mit einer Freundin den Nachhauseweg angetreten und sich von dieser nahe des [[Bärenbrunnen]]s verabschiedet hatte, muss sie gegen 6 Uhr nahe des [[Otto-Krafft-Platz]]es auf | [[Datei:Ostring (Hamm) Park.JPG|mini|rechts|alternativtext=Bärenbrunnen|Bärenbrunnen]] | ||
Das Opfer, Hannah S. (25),<ref>[https://www.bild.de/regional/ruhrgebiet/ruhrgebiet-aktuell/prozess-nach-mord-in-hamm-unheimliches-brief-gestaendnis-von-hannahs-killer-79565794.bild.html ''Ich habe meiner Sexsucht nachgegeben'']. In: bild.de vom 26. März 2022.</ref> hatte mit Freunden bis in den frühen Morgen des 19. September 2021 auf der [[Südstraße]] („Meile“) in der Diskothek [[Saloon Cheyenne]]<ref>Martin von Braunschweig: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/mord-im-olg-park-in-hamm-angeklagter-schweigt-zum-prozessauftakt-91411983.html ''Mord im OLG-Park: Angeklagter schweigt zum Prozessauftakt'']. In: wa.de vom 15. März 2022.</ref> gefeiert. Nur wenige Minuten, nachdem Sie mit einer Freundin den Nachhauseweg angetreten und sich von dieser nahe des [[Bärenbrunnen]]s verabschiedet hatte, muss sie gegen 6 Uhr nahe des [[Otto-Krafft-Platz]]es auf den Täter getroffen sein.<ref>Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/mord-hamm-leiche-olg-park-taeter-gefasst-polizei-messer-toetung-90997974.html ''Mord am OLG offenbar aufgeklärt: 27-Jähriger erneut festgenommen'']. In: wa.de vom 24. September 2021.</ref> Möglicherweise hatte dieser ihr hinter einem der großen Wahlplakate für die damals bevorstehende [[Bundestagswahlen in Hamm|Bundestagswahl]] aufgelauert.<ref name="wade241017"/> | |||
Ihr Leichnam wurde bereits gegen 6:45 Uhr von Passanten entdeckt. Die junge Frau war nur noch mit ihrem Oberteil bekleidet. Nach Annahme der Staatsanwaltschaft soll der Täter sie zur sexuellen Befriedigung entkleidet und Fotos angefertigt haben.<ref name="wade-22-06-29"/> Im späteren Strafprozess wurde schließlich klargestellt, dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort war. Der direkte Nachhauseweg wäre für Hannah S. über den OLG-Park mit einem erheblichen Umweg verbunden gewesen. Des Weiteren wurden Schleifspuren festgestellt, die belegen, dass die Leiche nachträglich zum Teich gezogen wurde. | Ihr Leichnam wurde bereits gegen 6:45 Uhr von Passanten entdeckt. Die junge Frau war nur noch mit ihrem Oberteil bekleidet. Nach Annahme der Staatsanwaltschaft soll der Täter sie zur sexuellen Befriedigung entkleidet und Fotos angefertigt haben.<ref name="wade-22-06-29"/> Im späteren Strafprozess wurde schließlich klargestellt, dass der Fundort der Leiche nicht der Tatort war. Der direkte Nachhauseweg wäre für Hannah S. über den OLG-Park mit einem erheblichen Umweg verbunden gewesen. Des Weiteren wurden Schleifspuren festgestellt, die belegen, dass die Leiche nachträglich zum Teich gezogen wurde. | ||
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Gegen das Urteil legte die Verteidigung beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein. Ziel der Revision war die Klärung der Frage, ob das vom Schwurgericht Dortmund angenommene Mordmerkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebs tatsächlich erfüllt worden ist.<ref>Cedric Sporkert: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mord-am-olg-teich-verteidigung-geht-in-revision-das-sind-die-gruende-91661350.html ''Mord am OLG-Teich: Verteidigung geht in Revision - Das sind die Gründe'']. In: wa.de vom 11. Juli 2022.</ref> | Gegen das Urteil legte die Verteidigung beim Bundesgerichtshof (BGH) Revision ein. Ziel der Revision war die Klärung der Frage, ob das vom Schwurgericht Dortmund angenommene Mordmerkmal der Befriedigung des Geschlechtstriebs tatsächlich erfüllt worden ist.<ref>Cedric Sporkert: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mord-am-olg-teich-verteidigung-geht-in-revision-das-sind-die-gruende-91661350.html ''Mord am OLG-Teich: Verteidigung geht in Revision - Das sind die Gründe'']. In: wa.de vom 11. Juli 2022.</ref> | ||
Am [[26. Juli]] [[2023]] berichtete der [[Westfälischer Anzeiger|Westfälische Anzeiger]], dass das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 29. Juni 2022 vom 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits am 28. Februar 2023 teilweise aufgehoben wurde und die Strafsache neu verhandelt werden | Am [[26. Juli]] [[2023]] berichtete der [[Westfälischer Anzeiger|Westfälische Anzeiger]], dass das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 29. Juni 2022 vom 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bereits am 28. Februar 2023 teilweise aufgehoben wurde und die Strafsache neu verhandelt werden müsste. Das Landgericht habe die Motivlage und Schuldfähigkeit von Simon S. nicht rechtsfehlerfrei begründet, auch wenn an seiner Täterschaft keine Zweifel bestünden. Verteidiger Dennis Kocker zeigte sich irritiert, dass dieser Beschluss erst fünf Monate später zugestellt wurde.<ref>Cedric Sporkert: [https://www.wa.de/nordrhein-westfalen/hamm-hannah-s-rechtsfehler-bgh-urteil-nach-mord-im-olg-park-ueberwiegend-aufgehoben-zr-92424696.html ''Rechtsfehler: Urteil nach Mord im OLG-Park in Hamm überwiegend aufgehoben'']. In: wa.de vom 26. Juli 2023.</ref> | ||
Die Verteidigung beantragte daraufhin zunächst beim Landgericht, die Unterbringung des Täters in der forensischen Psychiatrie aufzuheben. Dieser Antrag wurde jedoch zurückgezogen, noch bevor das Gericht darüber verhandeln wollte, da Gutachterin Nalah Saimeh eine Stellungnahme abgegeben hatte, wonach keine Anhaltspunkte dafür bestehen, die Verfassung des Angeklagten neu zu bewerten. Die Verteidigung wollte sich zunächst näher mit der Stellungnahme befassen und zog den Antrag daher zurück.<ref>Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/mord-am-olg-teich-in-hamm-29-jaehriger-bleibt-in-der-forensik-92455991.html ''Mord am OLG-Teich: 29-Jähriger bleibt in der Forensik'']. In: wa.de vom 12. August 2023.</ref> | Die Verteidigung beantragte daraufhin zunächst beim Landgericht, die Unterbringung des Täters in der forensischen Psychiatrie aufzuheben. Dieser Antrag wurde jedoch zurückgezogen, noch bevor das Gericht darüber verhandeln wollte, da Gutachterin Nalah Saimeh eine Stellungnahme abgegeben hatte, wonach keine Anhaltspunkte dafür bestehen, die Verfassung des Angeklagten neu zu bewerten. Die Verteidigung wollte sich zunächst näher mit der Stellungnahme befassen und zog den Antrag daher zurück.<ref>Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/hamm-mitte-ort370531/mord-am-olg-teich-in-hamm-29-jaehriger-bleibt-in-der-forensik-92455991.html ''Mord am OLG-Teich: 29-Jähriger bleibt in der Forensik'']. In: wa.de vom 12. August 2023.</ref> Zu einer Entlassung kam es nicht. | ||
=== 2. Verhandlung vor dem Dortmunder Schwurgericht=== | === 2. Verhandlung vor dem Dortmunder Schwurgericht=== | ||
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=== 2. Revision === | === 2. Revision === | ||
Am [[10. Mai]] 2024 | Am [[10. Mai]] 2024 berichtete der WA, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund einen Revisionsantrag gestellt hatte. Die Begründungsfrist dafür lief am [[10. Oktober]] 2024 ab. Staatsanwältin Gülkiz Yazir fertigte eine 18-seitige Begründung an, mit der sie vor dem Bundesgerichtshof eine neue Würdigung des Falls erreichen wollte. Aus ihrer Sicht sei das Mordmerkmal erfüllt und eine Totschlags-Verurteilung nicht hinnehmbar. Auch die Verteidigung hatte erneut Revision eingelegt und sah materielles Recht falsch angewendet. Jedoch wollte Dennis Kocker, Rechtsanwalt von Simon S., seine Revision zurücknehmen. Die Angehörigen verzichteten als Nebenkläger auf einen Revisionsantrag.<ref>Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/die-staatsanwaltschaft-dortmund-hat-im-prozess-um-die-toetung-einer-frau-in-hamm-revisionsantrag-gestellt-93059518.html ''Tod im OLG-Park: Staatsanwaltschaft stellt Revisionsantrag'']. In: wa.de vom 10. Mai 2024.</ref><ref name="wade241017">Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/olg-mordprozess-dritter-auflage-angehoerige-skeptisch-demuetigend-hamm-nrw-gericht-dortmund-93361527.html ''OLG-Mordprozess vor dritter Auflage – Angehörige skeptisch: „Es war oft demütigend“'']. In: wa.de vom 17. Oktober 2024.</ref> | ||
Die Staatsanwaltschaft reichte ihren Schriftsatz | Die Staatsanwaltschaft reichte ihren Schriftsatz letztlich nicht beim Bundesgerichtshof ein. Auf Anfrage des [[WA]] wurde am 25. Februar 2025 mitgeteilt, dass man den Antrag zurückgezogen habe. Die Ankläger begründeten die Entscheidung damit, dass man „vor dem Hintergrund des Verbots der ''reformatio in peius'', das eine höhere Strafe als in dem ersten Urteil verbietet, der langen Verfahrensdauer und der Tatsache, dass die angeordnete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zeitlich unbefristet ist, zu dem Ergebnis gelangt [sei], dass die Revision nicht durchgeführt werden soll“. Somit ist das Urteil wegen Totschlags rechtskräftig. Die Angehörigen drückten gegenüber dem Westfälischen Anzeiger ihr Unverständnis über diese Entscheidung aus.<ref>Frank Lahme: [https://www.wa.de/hamm/wir-sind-enttaeuscht-revision-olg-mord-zurueckgezogen-hamm-park-staatsanwaltschaft-dortmund-93593936.html ''„Wir sind enttäuscht“: Revision zu OLG-Mord zurückgezogen – Angehörige bestürzt'']. In: wa.de vom 26. Februar 2025.</ref> | ||
== Aufarbeitung in den Medien == | == Aufarbeitung in den Medien == |